Der Lockdown im März 2020 hatte drastische Folgen für viele, und die ­Bewältigung der Krise wird uns noch lange beschäftigen. Die Einschätzungen der meisten ExpertInnen deuten auf mittelfristig eher sinkende Preise hin. Die Deflationstendenz sollte mit allen Mitteln bekämpft werden, damit ein weiterer Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert werden kann.

Manche ÖkonomInnen warnen vor hohen ­Inflationsraten, die uns in Zukunft noch bevorstehen würden. Sie argumentieren dies häufig mit den umfangreichen und ­kreditfinanzierten Rettungspaketen. Die meisten ExpertInnen sind sich jedoch einig, dass genau entgegenge­setzte Tendenzen eintreten werden, nämlich das Stagnieren oder sogar Sinken der Preise. Das birgt die Gefahr des Auftretens von „Attentismus“. Gemeint ist damit, dass KonsumentInnen sich in Erwartung sinkender Preise in starker Nachfragezurückhaltung üben. Dies führt zu Insolvenzen und einer weiteren Erhöhung der Arbeitslosigkeit. Wenn sich diese Vorgänge wieder­holen und gegenseitig verstärken, entsteht eine Deflationsspirale. Daher ist ein rasches Handeln zur Stabilisierung der Wirtschaft und der Beschäftigung notwendig.

Zwei Argumente stützen die These von niedrigen Inflationsraten. Erstens nimmt die weltweite Unsicherheit von KonsumentInnen aufgrund der gestiegenen Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen deutlich geringeren Einkommen stark zu. Wer sich Sorgen um die eigene Zukunft macht, verschiebt nicht unbedingt nötige Käufe vorsichtshalber und trägt somit zum Attentismus bei. Zweitens werden die niedrigen Rohölpreise auch in naher Zukunft nicht wesentlich steigen, was ebenfalls zum stagnierenden Preisniveau beiträgt.

Eine Inflationsrate auf normalem Niveau, bei etwa 2 Prozent, wäre in Zeiten von COVID-19 ein Anzeichen dafür, dass die Beschäftigung wieder steigt und KonsumentInnen wieder zuversichtlich in die Zukunft blicken. Dies wäre in der aktuellen Situation ein mehr als nur wünschenswertes Signal. Doch die Messung dieser Signale kam in den letzten Monaten gehörig durcheinander.
Gemessen am europaweit vergleichbaren Verbraucherpreisindex (HVPI) zeigt sich, dass das allgemeine Preisniveau in der COVID-19-Krise deutlich unter dem EZB-Ziel von knapp unter 2 Prozent liegt. Der kurzfristige Anstieg der ­Inflation nach dem Jahreswechsel 2019/2020 lässt sich in Österreich einmal mehr auf den Bereich Wohnen (Mieten, Instandhaltung, etc.) sowie auf deutliche Preissteigerungen bei Restaurants und Hotels zurückführen. Auch im Juli begründet sich etwa die Hälfte der gesamten Preissteigerung durch Wohnen und Restaurants.
Die ab Juli eingeführte Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie und Beherbergung hatte somit keinen spürbaren Effekt. In der geldpolitisch relevanten Eurozone zeigt sich insgesamt eine deutlich schwächere Entwicklung mit Deflation beispielsweise in Spanien und Griechenland.

Die bisher verfügbaren Daten – und noch mehr die Einschätzung europäischer WirtschaftsprognostikerInnen – stützen also die These, dass in der aktuellen Situation Gefahr viel eher von zu niedriger als von zu hoher Inflation ausgeht. Es sollte somit größtes Augenmerk auf der Bekämpfung deflationärer Tendenzen liegen. Dabei muss die Stabilisierung von Beschäftigung und die Wiederherstellung von Zuversicht in eine gedeihliche Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

Quelle: awblog.at/­inflation-in-zeiten-von-covid-19/